Aktueller Fall des Monats
Titel
Nachblutung bei einer Wöchnerin
Fall-Nummer
250824
Zuständiges Fachgebiet
Frauenheilkunde / Geburtshilfe
Altersgruppe des Patienten
Erwachsener
Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus
Was ist passiert?
Nach Dienstbeginn wurden die Patienten unter 3 Fachkräften aufgeteilt (eine Hebamme und zwei GuK´s; davon eine Leasingkraft). Die Station ist unterteilt in chirurgische Pat und Wöchnerinnen. Die Leasingkräfte betreuen dann überwiegend chirurgische Pat, da Wöchnerinnen sehr speziell zu betreuen sind (Stillhilfe; Handling mit Neugeborenen, etc.). An diesem Tag fand eine Katastrophenschutzübung statt, an welcher die Hebamme teilgenommen hat. Sie hat die Station leider ohne Kommunikation verlassen.
GuK 1 hat ihre Patienten versorgt und wurde währenddessen von der Leasingkraft angesprochen, wo sich Laken befänden, da eine Wöchnerin (der Hebamme zugeteilt) nach Vorlagen gefragt und keine erhalten hätte und sie würde nun gerne das Laken wechseln. Nach ca. 15 Minuten sagte die Leasingkraft, sie hätte nun alles versorgt, die Wöchnerin bräuchte jedoch noch Stillhilfe. Nach ca. 10 Minuten hatte GuK 1 Zeit zu der Pat. zu gehen und stellte fest, dass die neuen Vorlagen durchgeblutet waren.
GuK 1 gab dann einer anderen Hebamme Bescheid, sich das Ganze noch einmal anzusehen. Die Pat wurde zur weiteren Betreuung in den KRS verlegt, nachdem sie nach Uterustastung eine stärkere Blutung und Koagelabgang hatte. Dort erhielt sie Medikamente, sowie engmaschige Überwachung.
Auf ärztlichen Wunsch sollte evaluiert werden, wie viel Blut die Wöchnerin bereits auf Station verloren habe; nach Inspektion des alten Lakens sowie Unterlagen und Vorlagen stand fest, dass die Pat ca. 500ml Blut auf Station verloren hat und ca. nochmal genauso viel im KRS. Leasingkraft wurde angesprochen, wieso sie der GuK 1 nichts gesagt hätte; sie dachte die Menge an Blut wäre normal.
Was war das Ergebnis?
Patientin hat Blut verloren
Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?
Fehlende Kommunikation, fehlende Kenntnisse der Leasingkraft
Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?
- Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
- Ausbildung und Training
- Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
- Teamfaktoren (Zusammenarbeit, Vertrauen, Kultur, Führung etc.)
Wie häufig ist dieses Ereignis bisher ungefähr aufgetreten?
erstmalig
Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal
Kommentare
Kommentar des Anwender-Forums(2023):
Glücklicherweise scheint neben dem Blutverlust kein weiterer Schaden entstanden zu sein. Die geschilderte Situation hätte jedoch viel Potenzial gehabt, zu eskalieren.
An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass viele Dinge gut gelaufen sind: das Hinzuziehen einer weiteren Hebamme, die Verlegung in den Kreißsaal, das Bemühen, den Blutverlust nachträglich abzuschätzen und nicht zuletzt die Rückmeldung an die stationsfremde Mitarbeiterin.
Auch die Aufteilung der Patient:innen vor dem Ereignis zeigt, dass die speziellen Anforderungen der Wöchnerinnen berücksichtigt werden sollten: stationsfremde Mitarbeitende versorgen bevorzugt die chirurgischen Patient:innen, während die Wöchnerinnen von einer Hebamme betreut werden. Mit dem Einsetzen der Katastrophenschutzübung ändert sich die Situation. Die Hebamme verlässt die Station und kommuniziert dabei zu wenig.
Der Bericht schildert nicht, wie in der berichtenden Einrichtung Regelungen und Absprachen zum Katastrophen(-übungs)fall gestaltet sind, ob diese allen Mitarbeitenden bekannt sind und wie weit danach verfahren wurde.
- Gab es eine Absprache, wer zur Übung die Station verlässt, und warum war dies die einzige Hebamme und nicht eine der beiden Gesundheits- und Krankenpflegerinnen?
- Wie gestaltet sich in einem solchen Fall die Übergabe und warum ist im vorliegenden Fall offenbar keine Übergabe erfolgt?
Die Einschätzung der verlorenen Blutmenge ist bei Wöchnerinnen wichtig, denn deren Zustand kann sich innerhalb kurzer Zeit verschlechtern. Pflegende mit einschlägiger Erfahrung können die Menge oftmals gut einschätzen, für stationsfremde Mitarbeitende ist dies jedoch schwierig. Umso wichtiger ist eine Teamkultur, die aushelfenden Mitarbeiter:innen ermutigt, Fragen zu stellen und um Hilfe zu bitten.
Zur Vermeidung ähnlicher Ereignisse empfiehlt das Anwenderforum:
- Wenn ein Routinebetrieb in einen Sonderbetrieb übergeht, setzt regelmäßig eine besondere Dynamik ein. Dies erfordert kurz innezuhalten und zu überlegen, ob die Verantwortlichkeit der Mitarbeitenden für Patient:innen risikobasiert neu geordnet werden muss.
- Patient:innen mit besonderen Risiken sollten möglichst erfahrenem Personal zugeordnet werden. Stationsfremde Mitarbeitende können zwar fachlich hervorragende Kolleg:innen sein, sind aber oft mit den örtlichen Besonderheiten und manchmal mit fachspezifischen Details weniger vertraut.
- „Auf welche Patient:innen muss ich besonders achten?” Unabhängig von Katastrophensituationen sollten stationsfremde Mitarbeitende eine kurze Einweisung zu Patient:innen mit besonderen Risiken erhalten.
- Diejenigen, die die Station verlassen, müssen wichtige Informationen und Besonderheiten über die ihnen zugeteilten Patient:innen an die verbleibenden Mitarbeitenden übergeben.
- Die Regelungen für den Katastrophenfall bzw. zur Katastrophenübung sollten anlässlich dieses Berichts noch einmal überprüft werden. Ist klar geregelt, wer die Station wann verlässt und wer die Patient:innen betreut? Ist dabei eine Übergabe der Patient:innen vorgesehen? Beide Aspekte sollten in Schulungen zum Katastrophenschutz explizit erwähnt werden.