Aktueller Fall des Monats

Titel
Übernahme der Medikation aufgrund unklarer Indikationslage

Fall-Nummer
265789

Zuständiges Fachgebiet
Geriatrie

Altersgruppe des Patienten
Erwachsener

Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus

Was ist passiert?
Pat. aus chirurgischer Abteilung wurde am Wochenende neu aufgenommen mit ungewöhnlicher Medikation: ASS, Clopidogrel + Ticagrelor im Verlegungsbrief. Der Grund dieser Indikation konnte am Wochenende nicht eruiert werden. Zusätzlich erhielt Pat. Enoxaparin; ein Protonenpumpeninhibitor wurde nicht angesetzt.

Was war das Ergebnis?
Wenige Tage nach der Aufnahme musste Pat., aufgrund von Teerstuhl und Hb-Abfall, zur ÖGD, dort blutendes Ulkus festgestellt.

Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?
Überdosierung der Antikoagulation aufgrund unklarer Indikationslage. Aufnahme am Wochenende, daher schwierig weitere Informationen/Anamnese zu erheben.

Aufnahme am Wochenende gut prüfen. Magenschutz beachten.

Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei? 

  • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
  • Ausbildung und Training
  • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)

Wie häufig ist dieses Ereignis bisher ungefähr aufgetreten?
erstmalig

Wer berichtet?
Arzt / Ärztin, Psychotherapeut/in

Kommentare

Kommentar des Anwender-Forums (2024):
Im vorliegenden Bericht kam es zur Übernahme der ungewöhnlichen Medikation aus dem Verlegungsbrief des Patienten mit ASS, Clopidogrel und Ticagrelor, sowie Enoxaparin. Da der Grund dieser Medikation am Wochenende nicht eruiert werden konnte, wurde sie fortgesetzt. Offenbar blieb die Medikation aber auch über den folgenden Werktag hinaus angesetzt. Scheinbar erfolgte keine weitere Abklärung.

Der Bericht liefert keine weiteren Informationen über die Hintergründe der ungewöhnlichen Medikationsempfehlung im Verlegungsbrief. Offenbar sind diese nicht bekannt und/oder bis zuletzt nicht geklärt worden. Es bleibt daher unklar, ob und unter welchen Umständen bereits in der verlegenden Einheit (Chirurgie) ein Medikationsfehler aufgetreten ist. Anscheinend ist auch beim Verfassen des Verlegungsbriefs keine Kontrolle erfolgt.

Bei der Übergabe wurde die Medikation übernommen. Aus dem Bericht ist nicht zu erfahren, unter welchen Bedingungen der Patient in der Geriatrie aufgenommen wurde. Extremer Zeitmangel oder Stress könnte dazu geführt haben, dass die Medikation unkritisch übernommen wurde. Allerdings könnte ebenso gut mangelnde Erfahrung ein begünstigender Faktor sein.

Die Anwesenden des Anwenderforums stellen sich die Frage, warum es am Wochenende keine Möglichkeit gab, die von der Chirurgie vorgeschlagene Medikation mit der verlegenden Abteilung zu besprechen. Offenbar ist hier keine ärztliche Übergabe erfolgt. Die fehlende Information wurde jedoch auch nach dem Wochenende nicht aktiv eingeholt. Nicht auszuschließen ist, dass der aufnehmende Arzt bzw. die aufnehmende Ärztin den Medikationsvorschlag nicht genügend kritisch infrage gestellt hat.

Das Anwenderforum empfiehlt zur Vermeidung ähnlicher Ereignisse:

  • Bei der Aufnahme neuer Patient:innen muss sichergestellt sein, dass der aufnehmende Arzt bzw. die aufnehmende Ärztin über genügend Erfahrung verfügt, um eine Versorgung auf Facharztstandard gewährleisten zu können. Gegebenenfalls muss eine Supervision der Aufnahme erfolgen. Ein strukturiertes Aufnahmeprocedere kann hier eine Sicherheitsebene bieten.
  • Nicht nur in der aufnehmenden Einheit, sondern auch in der verlegenden Einheit muss für eine ausreichende Erfahrung der beteiligten Personen gesorgt sein und ggf. eine Supervision zur Verfügung stehen.
  • Bei der Verlegung von Patient:innen muss eine ärztliche Übergabe erfolgen. Es muss sichergestellt werden, dass ein Wochenende keine vorhersehbare Hürde für den Informationsfluss darstellt.
  • Fragwürdige Medikationsvorschläge dürfen nie unkritisch übernommen werden. Gegebenenfalls ist eine Abklärung mit dem (eigenen) Hintergrunddienst erforderlich. Fehlende Informationen müssen bei internen Dienstübergaben thematisiert und zum nächstmöglichen Zeitpunkt eingeholt werden.
  • Digitale Systeme können helfen, vor Überdosierungen und/oder Medikationsfehlern zu warnen. Die anwesenden Mitglieder des Anwenderforums weisen jedoch darauf hin, dass zu häufige Warnungen digitaler Systeme schnell zu Gewöhnungseffekten führen und sich damit selbst „abnutzen”.
  • Als hilfreich hingegen werden regelmäßige Medikamentenvisiten, ggf. unterstützt durch Pharmazeut:innen, empfunden.