Aktueller Fall des Monats

Titel
Der Wundverband - Standard oder Expertenaufgabe?

Fall-Nr.
272878

Zuständiges Fachgebiet
Neurologie

Altersgruppe des Patienten
Senior/in (> 70 Jahre)

Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus

Was ist passiert?
Der Wundverband wurde falsch durchführt, die Saugkompresse wurde mit der nicht saugfähigen Seite auf die Wunde gelegt und diese noch mittels Folienverband okklusiv verschlossen. Ebenso wurde das Intervall von 1-2 Tagen nicht eingehalten, es wurde der Verband 3 Tage belassen.

Was war das Ergebnis?
Die Wunde weist eine höhere Keimsituation auf, verzögerte Wundheilung.

Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?
Mangelnde Produktkenntnisse, unterbesetzte Station mit wenig examiniertem Personal.

Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?

  • Ausbildung und Training
  • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)

Wie häufig ist dieses Ereignis bisher ungefähr aufgetreten?
erstmalig

Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal

Kommentar des CIRS-Teams des Krankenhauses

Vielen Dank für Ihren Bericht.

Der Bericht und die angegebenen Gründe lassen vermuten, dass hier tatsächlich jemand mit mangelnden Kenntnissen, ggf. auch unter Zeitdruck gearbeitet hat.

Es fand ein internes Audit zum Thema Wundmanagement statt. Falsche Wundversorgung, Zeitdruck, fehlende Einarbeitung ins Thema Wundmanagement und Unterbesetzung im Pflegebereich waren u.a. die Themen.

Unter anderem wurden auch folgende Hinweise im Auditbericht verfasst und an KL, PDL, Wundschwester und allen Wundexperten vorgelegt:

  • Die Übergabe von Informationen (Art/Intervalle der Wundversorgung) von Wundexperte an ihre Kollegen sollte klar geregelt und dokumentiert sein; ebenso die fach- und zeitgerechte Durchführung.
  • Es sollte überlegt werden, wie stationsfremdes Pflegepersonal (Leasingkräfte) über die Informationen zur Wundversorgung in Kenntnis gesetzt werden.
  • Es sollte darauf geachtet werden, dass die Wundexperten immer wieder auch die Pflegekräfte anleiten.
  • Wünschenswert wäre ein zweiter Fachtherapeut im Wundmanagement.
  • Auf einigen Stationen gibt es keinen Wundexperten. Es wäre wünschenswert, wenn sich Mitarbeiter dafür finden lassen. Alternativ müsste bis dahin überlegt werden, wie die Stationen im Bereich der Wundversorgung unterstützt werden könnten. Den Fachtherapeuten im Wundmanagement fehlen dafür auch manchmal die zeitlichen Ressourcen.

Kommentar des Anwender-Forums

Fehler in der Wundversorgung kommen häufig vor, werden aber selten als CIRS-Fall erfasst, da ihnen nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen wird.

Dazu kommt ein weiteres generelles Problem: Mit der Einführung von Pflegeexpert:innen sehen die Mitglieder des Anwenderforums die Tendenz, dass sich Pflegekräfte nicht mehr primär für die Qualität der Wundversorgung ihrer Patient:innen zuständig fühlen: In vielen Kliniken werden die Wundexpert:innen selbst für die Standardwundversorgung hinzugezogen, teils innerhalb der Stationen, teils via Konsil. Dies ist jedoch weder die Aufgabe von Wundexpert:innen, noch können sie dies neben ihren anderen Aufgaben leisten.

Auch im Umgang mit dem Bericht der Wundexpert:innen gibt es noch offene Fragen – wie kann man diesen praktikabel für die weitere Behandlung nutzen? In einer Klinik wurde der Bericht der Wundexpert:innen zwar dem Pflegebericht beigefügt und dort von den Pflegenden gesehen, dies erwies sich jedoch in der täglichen Arbeit als unübersichtlich und nicht praktikabel.

Wie kann man eine bestmögliche Wundversorgung für die Patient:innen sicherstellen?

Dazu gibt es verschiedene Ideen aus dem Anwenderforum:

Zunächst ist es wichtig, im Bereich der Pflege wieder ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jede Pflegekraft primär für ihre Patient:innen - inklusive deren Wundversorgung zuständig ist. Wundexpert:innen sind für komplexe Wundversorgungen zuständig, nicht für die normale Grundversorgung.

In den Kliniken sollte vereinbart werden, bei welcher Wundversorgung ein Wundexperte/ eine Wundexpertin hinzugezogen oder ein Wundkonsil angefordert werden soll.

Die erforderlichen Maßnahmen sollten direkt aus dem Bericht der Wundexert:innen in die Pflegeplanung oder Maßnahmenplanung übernommen werden. Sie müssen dann nicht jedes Mal im Bericht nachgelesen werden und die vom Wundexpert:innen festgelegten Fristen für Verbandwechsel etc. sind gewährleistet.

Ein weiterer Ansatz sind interprofessionelle Visiten, in denen die Wundexpert:innen den Pflegenden die notwendigen Maßnahmen zeigen und sie zur selbständigen Durchführung anleiten können. Dadurch findet auch ein Wissenstransfer statt.

Ziel sollte es sein, dass jede Station über eine:n eigene:n Wundexpert:in verfügt, der/die für gemeinsame Begehungen mit den Pflegenden zur Verfügung steht.

Die Durchführung von Fortbildungen wird angesichts des zunehmenden Personalmangels immer schwieriger, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft aus Zeitgründen nicht an Fortbildungen teilnehmen können. Auch Online-Angebote kosten Zeit und sind daher nur bedingt eine Alternative. Manchmal sind es auch die kleinen Dinge, die unterstützen können:

Eine Klinik berichtet von regelmäßig gestalteten Postern zu speziellen Wundversorgungen, um entsprechende Inhalte zu vermitteln.